Tante Trottoirs wundersames PFUIBABA!-BÜRO

Lets talk about sex and other complications
Am 13. + 14. April in der Osnabrücker Innenstadt

Tante Trottoir braucht Eure Hilfe: Wer ist sie und mit wem und wenn ja, wieviele? 60 verschiedene Wahlmöglichkeiten an Sexualitäten (z.B bei Facebook) bringen selbst die sexieste Tante ins Schwitzen! Trans, Homo, Hete, Tunte, Cis, Pan, Inter….äh, whaaat? Was darf man sagen, was darf man fragen, in welche Schublade kommt das und wieso brauchen wir überhaupt so viele Schubladen? Was macht uns unsicher, gehen wir lieber in gemischte oder getrennte Saunen und warum und wer trennt das und wer darf wem überhaupt noch unter welchen Bedingungen an den Hintern fassen? Sind Einhörner Mädchen oder Jungs oder transanimalisch? Wie queer ist queer genug? Wo sind eigentlich die Erben vom Dr. Sommer-Team wenn man sie braucht?! Lets talk about sex: Die Tante spendiert ihren besten Fettnapf-Kuchen für ein spannendes Gespräch mit Dir in ihrem funkelnagelneuen PFUIBABA!- BÜRO, einem winzigen Häuschen in der Osnabrücker Innenstadt - wo nach Statistiken die tolerantesten und glücklichsten Menschen leben sollen. Mal sehen, was wir von ihnen lernen können!

Co Tanten: Schwulen- und Lesbenreferat der Universität Osnabrück

BERICHT DES TAGES IM PFUIBABA!-BÜRO

Wow, Osnabrück!

Nach dem das Wetter es uns leider unmöglich machte, schon am Freitag loszulegen, haben wir unser kleines, feines und wundersames PfuiBaba!-Büro etwas verzögert den ganzen Samstag bei kühlem aber heiterem Wetter in der Osnabrücker Innenstadt aufgebaut. Unterstützt wurden wir von Tante Johanna, Tante Melli, Tante Samanta und den Tanten Sebastians beim Schrauben, Streichen und Backen! Vielen Dank dafür!

Von 11.30- 18.30 führten wir über 25 Gespräche im Pfuibaba!-Büro, in dem die Tante als überforderte Fachkraft einen Haufen Fragen beantworten sollte und hierbei auf die Hilfe der Osnabrücker Passanten angewiesen war. In unserem > Fragenkatalog hatten wir verschiedene lustige und ernstere Fragen formuliert, die einen leichten Einstieg mit niedriger Hemmschwelle ins Thema Geschlechterrollen und Sexualitäten und die viele verschiedenen Unterthemen anschnitten z.B. die #metoo- Debatte, Genderformulierungen, Schubladendenken, die (un-)mögliche Definition von männlich und weiblich, Homo- Trans- und Intersexualität uvm.
Überall am Haus hingen kleine Schubladen mit Begriffen der verschiedenen Sexualitäten und Geschlechter: queer, trans, cis, LGBT, inter, xy-frau, androgyn usw., um den Sinn und/oder Unsinn des Schubladendenkens zu befragen. Auch konnte man seine eigene Schublade gestalten, mit Tante Sebastian in hochhackigen Schuhen laufen oder einfach skeptisch lange in der Gegend rumstehen und sich fragen, ob Einhörner eher männlich, weiblich oder was ganz anderes sind und wer sich solche Fragen ausdenkt und warum.

Die Neugierde auf das kryptisch bunte einladende Pfuibaba! Büro ließen auch viele Kinder verweilen und Fragen stellen ( hierfür hatte wir einen > Extrafragebogen für Kids entworfen). Hier erstaunte uns, dass das Wissen zu Genderfragen doch schon viel weiter verbreiteter war, als in unserer eigenen Jugend und Kindheit und die Toleranz der Befragten sehr hoch war. So solidarisierten sich drei Mädels um die 12 Jahre mit ihrem fiktiven Freund Paul aus unserem Fragebogen, der gerne als Eisprinzessin Elsa zum Fasching gehen wollen würde: um ihn vor eventuellem Mobbing zu schützen, würden sie sich selbst verrückte Kostüme anziehen, damit sie die Blicke genauso auf sich zögen wie Paul.
Wir sprachen auch mit zwei Refugee-Jungs, die uns von Kinderhochzeiten in ihrem Land erzählten und froh waren, dass das hier anders ist und sie heiraten können, wen sie wollen. Wir fragten, ob das auch in dem Fall gälte, wenn sie sich später mal in einen Mann verlieben würden. Sie lachten und sagten, sie wüssten sehr wohl, dass das hier möglich wäre, aber das ginge wirklich nicht, ihre Familien würden das nicht erlauben.

Im Haus selber ergaben sich über ein bis zwei Einstiegsfragen sehr schnell sehr persönliche Gespräche tief in das Themenfeld hinein. Die kleine bunte Hütte und die Gartenbank mit Teetischchen und Verweilmöglichkeit kreiirte einen angstfreien Schutzraum mitten in der Stadt, in denen sich uns die Menschen anonym anvertrauten oder uns auch herausforderten, unsere eigenen Denkweisen zu hinterfragen („Was ist für dich denn die Essenz von Frau/weiblich und Mann/männlich? ...stammelnde Antwort... „Aha, aber alle Punkte die Du aufzählst sind doch auch nichts anderes als Persönlichkeitsmerkmale!“). Nach anfänglicher Frauenüberzahl, glich sich im Laufe des Tages der Männer-Frauenanteil der Besucher an, wobei auch einige trans*queer Menschen diese Kategorisierung in Männlein und Weiblein auflösten und uns eindrücklich optisch und im Gespräch veranschaulichten, dass es viele Formen von „dazwischen“ geben kann- egal, ob man sich gerade auf dem Weg von einem zum anderen Geschlecht befindet oder sich selber, optisch und verhaltenstechnisch, genau in der Mitte richtig fühlt.

Wir lernten, dass wir Schubladen nur für das brauchen, was uns fremd ist und sie sich schon beginnen aufzulösen, wenn man sich kennenlernt. Denn die Facetten der Menschen sind so gewaltig, dass es gar nicht genug Schubladen gibt, die ohnehin nur das nicht-komplexe einfangen, nicht aber das, was uns wahrhaftig ausmacht. Dann wiederum gibt es Schubladen, in die man sein Leben lang immer wieder gesteckt wird, obwohl man sich vielleicht sehr verändert hat- auch hier oft aus mangelndem Austausch und Kontakt.

Wir sprachen über Unsicherheiten, die sich in uns ausbreiten, wenn wir nicht genau wissen, „was“ das Gegenüber „ist“ und wie das zu Angst, Wut und Hass führen kann, dem immer noch Menschen der queeren Community ausgesetzt sind.
Wir trafen mutige Menschen, die trotz und wegen persönlicher Anfeindungen mit viel positiver Energie gegen die Angst der anderen an - arbeiten und in beeindruckender From aufklärerisch tätig sind und andere an ihrer Transition teilhaben lassen: > youtu.be/VPlC6QiFPWk

Wir lernten, dass das Themenfeld, dass wir aufgemacht hatten, auch Menschen ansprach, die sexuellen Missbrauch erlebt hatten, der sie traumatisiert und dem anderen Geschlecht gegenüber verschlossen hatte und die mit uns das Gespräch suchten. Das berührte uns, brachte uns aber natürlich auch an unvorhergesehene Grenzen in der Gesprächsführung.

Wir haben gelernt, dass die Vorstellung von einer gemischtgeschlechtlichen Fußballnationalelf sehr vielen Menschen gefiel. „Vielleicht ist die Welt noch nicht so weit, aber ich würde es mir gerne ansehen“, „da müsste man clever aufstellen“, ...Wir sind gespannt!

Wir hörten zu, als sich aus der Empörung gegen die Frauenquote eine Dankbarkeit an Alice Schwarzer und wieder eine neue Haltung zur Frauenquote entwickelte. Das Tanten-Ohr vernahm am Ende den großen Wunsch nach einer Arbeitswelt, in der die Notwendigkeit einer Quote gar nicht erst gegeben wäre.

Wir lernten neue Worte wie „Puma-Frau“/ „Sugar Woman“, das weibliche Pendant zum „Sugar Daddy“.

Wir wurden über die Bedeutung des Sprachgebrauchs in Bezug auf die Gendervielfalt aufgeklärt, und dass es mit wenig Mehraufwand durchaus möglich sei, nach geschlechtsneutralen Begriffen wie „Studierende“ zu suchen und damit niemanden auszuschließen.

Wir hätten uns noch größeren Austausch gewünscht mit Menschen, denen die verschiedenen Ausprägungen von Sexualität und Geschlecht sehr suspekt sind und haben gemerkt, dass wir hierfür möglicherweise eine andere äußere Form bedarft hätten, als unser verspieltes, weiches, einhorngeschmücktes Pfuibaba!-Büro.

Wir wurden gefragt, was wir denn nun machen mit all den dokumentierten Antworten und was damit jetzt passiert und warum das Ganze überhaupt. Bisher haben wir uns vorerst gegen eine Veröffentlichung auf der Website entschieden, überlegen aber noch, in welcher Form das doch möglich wäre. Ansonsten: warum, warum- ist der Regenbogen krumm!? Wir sind keine Wissenschaftler, aber wissbegierig. Wir stellen keine Statistiken auf, sondern leihen Ohren und Kuchen, um neue Gedanken und Ideen zu tauschen und auf dem Trottoir der Städte auszusetzen, damit sie weiterkrabbeln, sich von Mensch zu Mensch und Herz zu Herz bewegen. Wir müssen nicht effektiv sein, nichts beweisen oder vortragen. Wir eröffnen lediglich eine eigene Plattform und ein Angebot des Miteinanders, diesmal unter der speziellen Gender-Thematik, nächstes Mal unter einer anderen. Wir freuen uns, Euch eine Freude zu machen und Euren Tag etwas bunter, wilder, tiefer oder lustiger zu gestalten. Wir glauben an die kleinen Dinge, die zwischen einer Irritation, einem Lächeln und einem Augenkontakt wandern und wohnen.

Jedem ist es aufgetragen, dem anderen ein Stück blauen Himmel zu zeigen.